Body Positivity bedeutet: Jeder Körper ist schön, egal wie er aussieht. Egal, ob Bauch oder Beine dick sind, egal, wie viel Cellulite, Dehnunggstreifen, Narben oder andere sogenannte „Makel“ vorhanden sind. Eine tolle Idee, das kann ich so auf jeden Fall unterschreiben. „Embrace“, der australische Dokumentarfilm, der vor einigen Monaten nur für einen Tag im Kino lief und inzwischen noch auf DVD oder als Stream zu finden ist, macht das deutlich. Alle Frauen auf der Welt freuen sich. Die Strategie von Taryn Brumfitt, der Produzentin des Filmes, ist aufgegangen. Alle haben sich lieb und finden sich, vor allem dank des hingebungsvollen Untertitels „du bist schön“ – schön.
Ich habe nichts dagegen, dass sich jede Frau schön findet. Im Gegenteil – ich finde es echt schlimm, dass wir uns im 21. Jahrhundert noch mit dieser Sch*** beschäftigen. Und jetzt kommt nämlich das, was mich wütend macht: Warum werden wir Frauen eigentlich immer noch auf unsere Körper reduziert? Und was mich noch wütender macht: Wir sind es selbst, die sich auf ihre Körper reduzieren.
Viele Frauen, vor allem wenn man sich durch Instagram, Facebook, andere Social Media Kanäle, Online-Magazine, Blogs, klickt, haben inzwischen das Bedürfnis sich nackt und/oder unvorteilhaft zu präsentieren und dabei vermeintliche Problemzonen aufzuzeigen. Das darf jetzt nicht falsch verstanden werden: Auch wenn ich es manchmal bei anderen nicht verstehen kann, haben sie durchaus das Recht, ihre Problemzonen zu haben. Habe ich schließlich auch. Aber sind wir wirklich erst so weit, dass wir uns nicht mit Themen beschäftigen können, die uns wirklich bewegen?
Die Show „Curvy Supermodel“ ist prinzipiell eine super Sache. Es sollte längst normal sein, auch mollige Frauen auf den Laufstegen zu präsentieren. Gute Mode ist so viel mehr als dass sie nur an Hungergestellen gut aussieht. Aber darum geht es dann irgendwie doch nicht, sondern viel mehr darum, dass dicke Frauen auch zickig sein können. Genauso unterhaltsam sind wie dünne Frauen, die sich anzicken und Einschaltquoten generieren.
Warum wird das Selbstbewusstsein von jungen Mädchen und erwachsenen Frauen eigentlich noch über den Körper definiert? – Natürlich ist es nicht immer so, aber wie gesagt – in den Medien, die uns tagtäglich erreichen, kommt es so rüber. Andere Frauen kritisieren andere Frauen, reduzieren sich gegenseitig auf ihre Körper.
– „Du bist toll, auch wenn du eine Narbe am Bauch hast.“ – „Du bist eine super Persönlichkeit, trotz dicker Beine.“
Warum sagen wir nicht: „Du hast ein tolles Gespür für Ästhetik?“ – „Du kannst super mit Binärcodes umgehen?“ – „Du kannst super Klavier spielen“?
Wir Frauen werden oft immer noch zu wenig motiviert uns über andere Sachen zu definieren.
Die Medien motivieren uns fälschlicherweise dazu, uns vor den Spiegel zu stellen und uns schön zu finden, anstatt uns an den Schreibtisch zu setzen oder auf die Straße zu gehen und wirklich etwas zu erreichen.
So wie jetzt machen wir Frauen uns das Leben gegenseitig nicht einfacher.
Meint ihr nicht auch, die Frauenrechtlerinnen, die uns vor 100 Jahren das Wahlrecht ermöglicht haben, würden sich im Grab umdrehen? Oder bin ich einfach zu Unrecht genervt von diesem ganzen Körperwahn?
weiterlesen: Dieses Video hat mich wirklich motiviert diesen Artikel zu schreiben.
PS: Es hat natürlich jeder ein Recht über den eigenen Körper nachzudenken. Ich glaube auch nicht, dass ich weniger über meinen Körper nachdenke als ein Mann. Nur die Männer beurteilen sich gegenseitig nicht so und zeigen es nicht so offensichtlich.
Hi Laura,
vielen Dank für diesen Artikel, mir ist genau das auch sauer aufgestoßen, als ich „Embrace“ gesehen habe – dass es letztlich schon wieder darum geht, dass wir schön sein müssen/wollen/sollen. Fand ich gerade sehr erfrischend, von dir da auch mal einen anderen Standpunkt zu lesen :)
Diese Body-Positivity-Bewegung hat aus meiner Sicht außerdem den negativen Effekt, dass gesundheitliche Themen, gerade in Bezug auf das Gewicht, ausgeklammert werden. Da wird dann entgegen aller wissenschaftlichen Belege behauptet, Übergewicht sei gesundheitlich unbedenklich, und wenn man sich nur schön findet, dann passt das schon. Das führt ja teilweise auch schon zu Abwertung schlanker Frauen als „Knochengestelle“ etc., auch eine Form von Bodyshaming, aber eine die halt gerade gesellschaftsfähig ist.
Spannendes Thema! :)
LG, Elisabeth