Vor lauter Stress hat er übersehen, dass der Frühling bereits im Anmarsch ist. Er steht gehetzt am Bahnsteig, in der linken Hand den Coffee To Go, in der rechten das iPhone, mit dem noch einmal über die Präsentation für das morgige Meeting gescrollt wird. Der ihn ewig begleitende Trolley wird von der sperrigen Laptoptasche gekrönt. Vier weitere Statussymbole unserer ewig auf Leistung und Anerkennung ausgerichteten Gesellschaft.
„Ich habe am Wochenende keine Zeit, mit dir auszugehen. Ich bin total ausgebrannt.“
„Du musst das nicht machen“, will ich sagen. „Du nimmst deine Jobs selbst an. Du kannst auf die Geschäftsreise verzichten und abends auch mal um 19 statt um 23 Uhr Feierabend machen. Du könntest vor der Arbeit eine Runde joggen gehen statt den ersten Blick aufs iPhone zu werfen und dem täglichen Wahnsinn ins Auge zu blicken.“
Aber ich sage nichts. Je beschäftigter wir wirken, desto mehr Anerkennung und Bestätigung erhalten wir. Und das möchte doch eigentlich jeder. Heutzutage wird so vieles als selbstverständlich erachtet, dass man sich nur noch mit einem viel zu vollen Terminplan, der sich vielleicht auch nur ein bisschen voller anhört, als er es eigentlich ist, als „erfolgreich“ bezeichnen kann. Wer hat mehr um die Ohren? Wer braucht nachts weniger Schlaf?
Auch ein bisschen flunkern ist dabei natürlich erlaubt. Hauptsache, du wirkst so, als seist du ständig mit hundert verschiedenen Sachen beschäftigt. Wenn es um deinen sozialen Status geht, ist es besser, keine Freizeit zu haben. Denn das wird als Schwäche ausgelegt.
Und damit möchte ich niemandem behilflich sein, seinen sozialen Status aufs Spiel zu setzen. Denn so weit kommt es noch. Dann ist es im Fitnessstudio viel zu voll und man bekommt keinen guten Platz mehr in der Sauna. Und am Wochenende muss man in der Bar viel zu lange auf seinen Drink warten. Und beim Shopping? Da würden mir die besten Teile ja vor der Nase weggeschnappt werden, von Menschen, die ihr hart verdientes Geld nur noch online verprassen